Nachvollziehbare Fahrpreise und einfacher Fahrscheinkauf sind wesentliche Anreize, um Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen. Aber was bedeutet „nachvollziehbar“ aus Sicht der Kund:innen? Wie kommen elektronische Fahrscheine bei den Fahrgästen an? Und kann ein neuer Tarif tatsächlich die ÖPNV-Nachfrage steigern? Mit der FTQ Lab App können Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen digitale Tarife und die einfache Check-in/Check-out-Technologie unter realen Bedingungen testen.
Die FTQ Lab App ist eine getreue Replik der FAIRTIQ-App – mit einem kleinen Unterschied: Die Zahl der Nutzer:innen lässt sich beschränken. Damit ist die App ideal für Testanwendungen. Die FTQ Lab App und die FAIRTIQ-App laufen problemlos parallel. So können auch bestehende FAIRTIQ-Partner:innen neue Tarife einfach testen. Welche Möglichkeiten die FTQ Lab App dabei unter anderem bietet, zeigen beispielhaft die laufenden Pilotprojekte in Halle (Saale) und Berlin.
Die Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) betreibt insgesamt 14 Straßenbahn- und 22 Buslinien in Halle (Saale) sowie in Teilen des Saalekreis, zum Beispiel im Stadtverkehr Merseburg. In der Tarifzone 210, die das Stadtgebiet Halle umfasst, ist die FAIRTIQ-App bereits seit November 2019 nutzbar. Einen speziellen elektronischen Tarif, kurz eTarif, gab es bei der HAVAG jedoch nicht – bis jetzt.
Seit September 2022 testet die HAVAG mit Hilfe der FTQ Lab App in Tarifzone 210 den Luftlinientarif. Dabei wird der Fahrpreis nach der kürzesten Entfernung zwischen Start- und Zielhaltestelle berechnet. Der Grundpreis je Fahrt liegt bei 1,50 Euro. Für jeden Kilometer kommen 15 Cent hinzu. Ein Tagescapping begrenzt den maximalen Fahrpreis pro Tag auf 6,60 Euro, was dem Preis einer 24-h-Karte entspricht.
Die HAVAG geht davon aus, dass der neue eTarif besonders attraktiv für Nutzer:innen ist, die nur wenige oder vorwiegend kurze Strecken fahren. Wie der Luftlinientarif tatsächlich wirkt, wird während der Laufzeit des Pilotprojektes anhand unterschiedlicher Szenarien getestet und bewertet. Am Test beteiligen können sich sowohl neue Nutzer:innen als auch bisherige Anwender:innen der roten FAIRTIQ-App.
Im ersten Testmonat haben sich fast 550 HAVAG-Fahrgäste in der FTQ Lab App angemeldet. Bis zu 2.000 sollen es im Testverlauf werden. Fast 160 Testnutzer:innen sind sowohl mit der FTQ Lab App als auch mit der regulären FAIRTIQ-App unterwegs. Je nach Fahrtziel und Strecke kombinieren sie die gewohnte Nutzung der Check–in/Check-out-Technologie mit den Preisvorteilen des neuen Luftlinientarifs.
Geplant ist, dass die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt in ein eTarif-Konzept für den gesamten Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) einfließen. Dessen Ziel ist es, bis 2030 den Anteil digitaler Fahrscheine verbundweit deutlich zu steigern. Perspektivisch könnten also nicht nur die Fahrgäste der HAVAG, sondern auch die ÖPNV-Nutzer:innen im gesamten MDV-Gebiet von attraktiven eTarifen profitieren.
Seit März 2022 können 1.000 Berliner:innen im Rahmen des Pilotprojekts ”InOut” der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) den ÖPNV in der Hauptstadt zum Bestpreis und mit dem komfortablen Check-in/Check-out in der FTQ Lab App nutzen. Für Fahrten im Tarifbereich Berlin AB, der das gesamte Stadtgebiet bis zur Stadtgrenze umfasst, berechnet die App automatisch den besten Preis. Die Fahrgäste checken sich bei Fahrtantritt mit einem “Wisch” ein und am Ziel ganz einfach wieder aus. Das System erkennt, ob eine Kurzstrecke oder eine reguläre Strecke zurückgelegt wurde. Bei mehreren Fahrten pro Tag deckelt die App den maximalen Fahrpreis auf die Höhe einer Tageskarte. Die Fahrgäste müssen sich vor Fahrtantritt also nicht überlegen, wie weit, wie lange und wie oft sie an diesem Tag unterwegs sein werden.
Bis Ende Jahr ist eine Ausweitung des Tests geplant. Dann wird auch die Tarifzone C mit dem Berliner Umland und Potsdam mit der FTQ Lab App “erfahrbar” sein. Neben Kurzstrecke, Einzelfahrt und Tageskarte fließen dann auch die Wochen- und Monatskarte in die Bestpreisberechnung ein.
Mit dem Pilotprojekt können die Berliner Fahrgäste testen, wie sie Bus und Bahn spontaner, flexibler und oft günstiger nutzen können. Die BVG kann testen, wie die Check-in/Check-out-Lösung bei den Fahrgästen ankommt und welche Auswirkungen das Bestpreis-System mit Capping für Fahrtenaufkommen und Fahrpreiseinnahmen hat.
Aktuell laufen weitere Pilotprojekte mit der FTQ Lab App, zum Beispiel in München und in der dänischen Region Nordjütland. Ziel der Piloten ist es, die Akzeptanz für den elektronischen Fahrscheinverkauf mit InOut-Ticketing zu testen, neue Tarife auszuprobieren oder zu optimieren sowie verbundübergreifende Lösungen zu entwickeln. Dabei geht es nicht allein um technische Lösungen, sondern auch darum, die erforderlichen Prozesse für eine erfolgreiche Zusammenarbeit regional und zwischen verschiedenen Unternehmen zu entwickeln. Die FTQ Lab App bietet hierfür vielseitige Möglichkeiten und Impulse.