14 Juni 2024

Fahrscheinsysteme im öffentlichen Verkehr: Vergleich von Tap-in-Tap-out, EMV und mobiles Pay-As-You-Go

Fahrscheinsysteme im öffentlichen Verkehr: Vergleich von Tap-in-Tap-out, EMV und mobiles Pay-As-You-Go

Fahrscheinsysteme haben einen großen Einfluss auf das Nutzungserlebnis und die Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Dieser Blog-Beitrag konzentriert sich auf die Systeme, die derzeit besonders viel Beachtung finden: das traditionelle kartenbasierte Tap-in-Tap-out-System, das aufstrebende EMV-System, bei dem die Zahlung mit Debit- oder Kreditkarten erfolgt, und die neuen mobilen Pay-As-You-Go-Lösungen (MPAYG). Die eingehende Betrachtung dieser Systeme macht deutlich, warum Länder wie Dänemark sich für einen Wechsel von Tap-in-Tap-out zu MPAYG entschieden haben, um das Nutzungserlebnis zu verbessern und gleichzeitig die begrenzten finanziellen Mittel auf das Wesentliche zu konzentrieren: einen dicht getakteten, zuverlässigen, komfortablen und sicheren ÖPNV.

 

Tap-in-Tap-out Systeme

Überblick und Nutzungserfahrungen: Tap-in-Tap-out-Systeme sind außerhalb des deutschsprachigen Raums in ganz Europa weit verbreitet, z. B. in Dänemark, Schweden, Finnland und den Niederlanden. Bei diesen Systemen nutzen die Fahrgäste in der Regel eine eigene wiederaufladbare Karte, um den Beginn der Fahrt anzumelden (Tap-in) und am Zielort das Ende der Fahrt zu bestätigen (Tap-out). Der Fahrpreis richtet sich nach der zurückgelegten Strecke oder den durchfahrenen Zonen.

Für die Kund:innen des ÖPNV bieten Tap-in-Tap-out-Systeme eine unkomplizierte Möglichkeit, Busse und Bahnen zu nutzen, ohne Papiertickets, Smartphones oder Debit- bzw. Kreditkarten zu benötigen. Dieser Komfort bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. Die Fahrgäste müssen sicherstellen, dass ihre Karte über ein ausreichendes Guthaben verfügt. Außerdem müssen sie bei jedem Ein- und Aussteigen daran denken, den Tap-in bzw. Tap-out durchzuführen. Vergessen sie den Tap-out am Ende der Fahrt, können Bußgelder oder höhere Fahrpreise die Folge sein, was zu Frustration und vermehrten Anfragen beim Kundenservice führt. Solche negativen Erfahrungen können die Bereitschaft der Fahrgäste beeinflussen, den ÖPNV zu nutzen, was sich letztlich nachteilig auf die Fahrgastzahlen und die Einnahmen der Verkehrsunternehmen auswirkt.

Auswirkungen auf die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel: Tap-in-Tap-out-Systeme bieten den Betreibern öffentlicher Verkehrsmittel eine Reihe von Vorteilen. Durch den obligatorischen Tap-out am Ende der Fahrt können detaillierte Daten über das Reiseverhalten gesammelt werden, die für die Planung und Optimierung des Angebots genutzt werden können. Darüber hinaus unterstützt der Tap-out die Anwendung von entfernungsabhängigen Tarifen, die von den Nutzer:innen im Vergleich zu Pauschaltarifen häufig als fairer empfunden werden. Wenn es möglich ist, kompatible Hardware in verschiedenen Verkehrsmitteln innerhalb einer Region zu installieren, können die Fahrgäste überdies von einer einzigen, vereinfachten Zahlungsmethode profitieren.

Die Einführung und die Wartung von Tap-in-Tap-out-Systemen bringen jedoch eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Der Aufbau der Infrastruktur ist komplex und zeitaufwendig und erfordert umfangreiche Planung und Ressourcen. Die Systeme sind unflexibel, was z. B. Fahrten über Verbundgrenzen hinweg erschwert, wenn nicht alle Fahrzeuge und Stationen mit kompatibler Hardware ausgestattet sind. Tatsächlich wurden groß angelegte Hardwareprojekte häufig verspätet und mit deutlich höheren Kosten als geplant abgeschlossen. Die Bereitstellung der notwendigen und oft hoch individualisierten Systemkomponenten wie Kartenlesegeräte sowie administrative Aspekte wie Kartenausgabe und Aufladung verursachen nicht nur erhebliche Einführungskosten, sondern erhöhen auch den Aufwand für die laufende Wartung sowie für Reparaturen und Upgrades. Gleichzeitig kann durch die Bindung an einen bestimmten Anbieter ein Lock-in-Effekt entstehen. Darüber hinaus bedeutet jeder Geräteausfall einen Einnahmeverlust für den ÖPNV, der durch höhere Fahrpreise oder Subventionen bzw. durch Angebotsreduzierungen kompensiert werden muss.

 

EMV-Systeme

Überblick und Nutzungserfahrung: Chipkarten-Bezahlsysteme, die auf dem von Europay, MasterCard und Visa entwickelten EMV-Standard basieren, werden seit einiger Zeit weltweit mit hoher Geschwindigkeit eingeführt. Diese hardwarebasierten Systeme ermöglichen den Nutzer:innen das einfache Tap-in mit ihrer Debit- oder Kreditkarte. Das Mitführen einer speziellen Chipkarte entfällt. Das System erleichtert insbesondere Gelegenheitsnutzer:innen den Zugang zum ÖPNV. EMV-Systeme unterstützen zudem die Nutzung von wiederaufladbaren Kundenkarten, was den Komfort und die Flexibilität für Pendler:innen erhöht.

Auswirkungen auf die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel: Abgesehen von ihren Vorteilen haben EMV-Systeme die gleichen Nachteile wie herkömmliche Tap-in-Tap-out-Systeme. Die Einführung von EMV-Systemen ist in der Regel langwierig und komplex, da umfangreiche Hardware installiert und mit den Finanzinstituten integriert werden muss. Die hohen Sicherheitsstandards für den Zahlungsverkehr erfordern regelmäßige Hard- und Software-Upgrades, was den betrieblichen Aufwand weiter erhöht. Die Abhängigkeit von externen Finanznetzwerken birgt weitere Risiken, da Probleme mit Kartenausgebern oder Banksystemen den Zahlungsverkehr stören können.

Darüber hinaus kann EMV zwar entfernungsabhängige Tarife unterstützen, erfordert dafür aber zwingend einen Tap-out. Daraus ergeben sich die gleichen Probleme wie bei herkömmlichen kartenbasierten Systemen, nämlich negative Erfahrungen für Kund:innen, die beim Aussteigen den Tap-out vergessen. Für die Betreiber kann dies ein Grund sein, keine zonen- oder streckenbezogenen Tarife einzuführen, wodurch kürzere Fahrten für die Kund:innen teurer werden.

Die Verkehrsunternehmen erhalten nur begrenzte Daten über die Fahrten, was ihre Möglichkeiten einschränkt, das Verkehrsangebot auf der Grundlage detaillierter Reisemuster zu optimieren. Da keine Daten der Nutzer:innen bei den Unternehmen vorliegen, sind auch ihre Möglichkeiten, mit den Fahrgästen in Kontakt zu treten, deutlich eingeschränkt. Für die Nutzer:innen wird zwar der Bezahlvorgang vereinfacht, sie können aber auch vor große Herausforderungen gestellt werden, z. B. wenn sie Ermäßigungen ohne vorherige Anmeldung in Anspruch nehmen oder ihre Fahrten nachträglich nachvollziehen wollen sowie bei der Mitnahme von Begleitpersonen, Hunden oder Fahrrädern.

 

Dänemarks Umstellung von Tap-In-Tap-Out auf mobiles Pay-As-You-Go (MPAYG)

In Dänemark ist seit vielen Jahren die Rejsekort-Karte, ein Tap-in-Tap-out-System, im Einsatz. Nun vollzieht das Land jedoch einen bemerkenswerten Wechsel zu einem landesweiten MPAYG-System. Die Rejsekort wurde von Fahrgästen im ganzen Land genutzt. Allein im Jahr 2023 wurden über 176 Millionen Fahrten registriert. Das System ermöglichte zwar eine genaue Fahrpreisberechnung und die Integration verschiedener Verkehrsmittel. Aufgrund der umständlichen Bedienung und der Bußgelder bei vergessenem Tap-out ist die Zufriedenheit der Kund:innen über die Jahre jedoch zurückgegangen.

Angesichts der deutlich gewordenen Grenzen von karten- und hardwarebasierten Systemen ist Dänemark nun dabei, ein landesweites MPAYG-System einzuführen, was einen wichtigen Meilenstein im öffentlichen Verkehr darstellt. Nach einem mehrstufigen Ausschreibungsverfahren, das FAIRTIQ für sich entschieden hat, hat das Land vor kurzem die Rejsekort-App* eingeführt. Dabei handelt es sich um eine MPAYG-App, die auf der FAIRTIQ-Technologie basiert und das Fahrgasterlebnis in ganz Dänemark revolutionieren soll. Das derzeitige kartenbasierte System soll in den nächsten Jahren durch die Rejsekort-App ersetzt werden.

*Die mobile PAYG-App (Pay-As-You-Go) wurde innerhalb eines engen Zeitrahmens nach der Auftragsvergabe entwickelt und ist derzeit für einer geschlossene Gruppe von Nutzer:innen verfügbar. Sie wird in den nächsten Monaten schrittweise eingeführt, um das Fahrgasterleben zu optimieren . Zur Pressemitteilung

 

Wie mobile Pay-As-You-Go (MPAYG) Systeme funktionieren

Überblick und Nutzungserfahrung: Die MPAYG-Technologie von FAIRTIQ macht physische Karten und manuelles Tap-in-Tap-out überflüssig. Sie ist bereits in zahlreiche Apps für den öffentlichen Nahverkehr in Europa integriert, darunter die FAIRTIQ-App und die Rejsekort-App. Beim Öffnen der App wird die nächstgelegene Haltestelle automatisch erkannt. Vor dem Einsteigen in den Bus oder die Bahn genügt ein Wisch auf dem Smartphone, um ein gültiges Ticket zu erhalten. Das Fahrtziel muss nicht angegeben werden.

Im Gegensatz zu Tap-In-Tap-Out- und EMV-Systemen ist beim Umsteigen kein Check-In und Check-Out erforderlich. Die App erkennt Umsteigevorgänge automatisch und sorgt so für ein unkompliziertes Reiseerlebnis, das die verschiedenen öffentlichen Verkehrsmittel nahtlos miteinander verbindet. Am Ziel angekommen, wird die Reise durch einen erneuten Wisch beendet. Wenn die Nutzer:innen den Check-out am Ende der Fahrt vergessen, sendet die App eine Benachrichtigung oder beendet die Fahrterfassung automatisch. Dies bietet zusätzliche Sicherheit und verhindert, dass Fahrgäste zu viel bezahlen.

Die MPAYG-Technologie erkennt anhand von Standortdaten die Routen der Fahrgäste und berechnet den korrekten Fahrpreis. Der Gesamtpreis wird am Ende des Tages festgelegt, um sicherzustellen, dass die Nutzer:innen den besten Tarif für alle Fahrten erhalten, die sie an diesem Tag unternommen haben. Mit der MPAYG-Technologie von FAIRTIQ müssen Reisende ihre Fahrten nicht mehr im Voraus planen oder sich den Kopf über die Wahl des Fahrscheins zerbrechen. Alles, was sie tun müssen, ist: wischen, einsteigen und die Fahrt genießen.

Vorteile für die Branche: Mobile Pay-as-you-go-Systeme (MPAYG) bieten zahlreiche Vorteile für Betreiber und Verbünde. Die MPAYG-Technologie kommt ohne zusätzliche Hardware aus, was eine schnelle Implementierung ermöglicht und die Bereitstellungs- und Instandhaltungskosten niedrig hält. Da keine physischen Karten oder Kartenlesegeräte benötigt werden, minimieren MPAYG-Systeme die Infrastrukturkosten und erhöhen damit die Kosteneffizienz bei Anschaffung und Wartung.

Des Weiteren können MPAYG-Systeme Einblicke in das tatsächliche Reiseverhalten vom Start bis zum Ziel geben, einschließlich der genauen Reiseroute der Fahrgäste. Die Kenntnis detaillierter Reisemuster ermöglicht die Optimierung von Routen und Tarifen und damit eine höhere Angebotseffizienz und Fahrgastzufriedenheit. Darüber hinaus bietet MPAYG nicht nur eine einheitliche Bezahlmethode für verschiedene Verkehrsmittel und unterstützt die entfernungsabhängige Preisgestaltung, sondern es können auch verschiedene Tarifarten und Anreize flexibel getestet und umgesetzt werden.

Das fortschrittliche Betrugsmanagementsystem für mobiles Pay-As-You-Go-Ticketing ermöglicht ein effektives Monitoring und verhindert Fahrscheinbetrug über alle aktiven Nutzer:innen und Fahrten hinweg. Das System zeichnet sich dadurch aus, dass es unterschiedliche Betrugsszenarien erfolgreich erkennt und aufdeckt, wie beispielsweise Nutzer:innen, die ihre Fahrt zu spät beginnen (z. B. nach dem Einsteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel oder beim Erkennen einer bevorstehenden Kontrolle) und solche, die ihre Fahrt vorzeitig beenden (z. B. vor dem Aussteigen oder nach der Fahrscheinkontrolle). Indem das System persönliche Daten mit zuvor gesperrten Konten vergleicht, identifiziert und blockiert es Nutzer:innen, die beim Betrugsversuch ertappt wurden und nun versuchen, sich mit einem anderen Konto erneut anzumelden. Das Betrugsmanagementsystem bewältigt auch Probleme wie das Ausschalten des Smartphones während der Fahrt, und es sendet eine Warnung oder beendet die Fahrt automatisch, wenn die GPS-Einstellungen nicht korrekt sind.

Für die Nutzer:innen verbessern MPAYG-Systeme das ÖPNV-Erlebnis, indem sie mehr Komfort und Preisgenauigkeit bieten, was zu größerer Zufriedenheit und höheren Fahrgastzahlen führt. Innovative Marketingmaßnahmen können ebenfalls effektiver umgesetzt werden, verbunden mit positiven Effekten für die Fahrgastbindung und die Fahrgastzahlen. Für die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel tragen MPAYG-Systeme dazu bei, die Betriebskosten zu senken, die Effizienz des Angebots zu steigern und die Fahrgastzahlen zu erhöhen, wodurch letztlich die Einnahmen und die Zufriedenheit der Fahrgäste gesteigert werden können.

 

Fazit

Der Übergang von traditionellen Tap-in-Tap-out-Systemen zu mobilen Pay-As-You-Go-Lösungen stellt einen enormen Fortschritt für den Fahrscheinverkauf im ÖPNV dar. Tap-in-Tap-out- und EMV-Systeme haben zwar ihre Stärken, z. B. bei der Fahrpreisberechnung und den Reisedaten, sie sind aber aufgrund ihrer Umständlichkeit und der hohen Kosten sowohl für die Fahrgäste als auch für die Betreiber eine Herausforderung.

Mobile Pay-As-You-Go-Systeme wie FAIRTIQ bieten einen integrierten und nutzerfreundlichen Ansatz, der viele Probleme im Zusammenhang mit traditionellen Fahrscheinsystemen löst. Durch den Wegfall separater Karten und die Verringerung des Risikos von Bußgeldern bietet MPAYG sowohl ein nahtloses und effizientes Nutzungserlebnis für die Fahrgäste des ÖPNV als auch erhebliche betriebliche Vorteile für die Betreiber von Bussen und Bahnen.

Im Zuge der Weiterentwicklung des ÖPNV kann die Einführung mobiler Pay-As-You-Go-Lösungen den Weg für effizientere, nutzerfreundlichere und anpassungsfähigere Verkehrsangebote ebnen, die Verbesserungen für alle ermöglichen. Die Einführung der Rejsekort-App in Dänemark, die auf der Technologie von FAIRTIQ basiert, ist ein Beispiel für diesen Wandel und verspricht eine neue Ära des Komforts und der Effizienz für die Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs.