Flexible Lösungen helfen dabei, ÖPNV-Potentiale jenseits der Flatrate zu erschließen
Auf dem Deutschen Nahverkehrstag in Koblenz stellten Christoph Heuing, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Mittelthüringen (VMT)*, und Paula Ruoff, Lead FAIRTIQ Deutschland und Österreich, gemeinsam „Potentiale jenseits der Flatrate“ vor und diskutierten, wie sich „Europäische Erfolgsstrategien für das Deutschlandticket nutzen“ lassen. Der nachfolgende Beitrag greift zentrale Aussagen des Vortrags auf und entwickelt sie weiter.
„Brauchen wir in Zeiten des Deutschlandtickets überhaupt noch Check-in-/Check-out-Lösungen?” Diese Frage wird derzeit immer wieder gestellt, neu ist sie allerdings nicht. Denn schon bei der Einführung des Klimatickets in Österreich im Jahr 2021 gab es Zweifel daran, ob flexibles Check-in/Check-out und Flatrate-Angebote gleichzeitig bestehen könnten. Unsere Antwort damals wie heute lautet: Ja! Denn Flatrate und Flexibilität schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.
„Das Deutschlandticket wird bei uns sehr gut angenommen. Für diejenigen, die kein Deutschlandticket haben, bietet die FAIRTIQ-App eine gute Möglichkeit, den ÖPNV auszuprobieren.“
Christoph Heuing, VMT
Das Deutschlandticket: Günstiges Angebot für regelmäßige Nutzer:innen
Das Deutschlandticket soll die Fahrgäste finanziell entlasten. In vielen Städten, wie zum Beispiel Berlin, Hamburg, Tübingen, bietet das Deutschlandticket gegenüber bisherigen Abos teils deutliche Preisvorteile. Davon profitieren vor allem regelmäßige Fahrgäste des ÖPNV, darunter Pendler:innen und Auszubildende. Aber was ist mit denjenigen, die den ÖV nur selten oder gar nicht nutzen?
Check-in/Check-out: Einfachheit und günstiger Preis für alle, die flexibel bleiben wollen
Für ÖV-Gelegenheitsnutzer:innen sind 49 Euro im Monat bzw. rund 600 Euro im Jahr ein zu hoher Preis. Für diese Gruppe bildet die Suche nach dem richtigen Fahrschein und Preis weiterhin eine Einstiegshürde in den ÖPNV. Einen einfachen Zugang bietet die FAIRTIQ-App, mit der Reisende stets mit dem richtigen Ticket unterwegs sind. Fahrgäste müssen sich nicht mehr im “Tarifdschungel” zurechtfinden und mehr noch, die in vielen FAIRTIQ-Regionen bestehende Möglichkeit zur Mitnahme von weiteren Fahrgästen, Hunden oder Fahrrädern erhöht zudem die Flexibilität. Dies alles macht die App attraktiv – und den ÖPNV.
„Wir glauben daran, dass die Nutzung des ÖPNV so unkompliziert wie nur irgendwie möglich sein muss, damit Menschen vom eigenen Auto in Bus und Bahn umsteigen.“
Christoph Heuing, VMT
Tickets für Mitreisende (Personen, Hunde und Fahrräder) werden wie gewohnt optimiert, sodass alle zum besten verfügbaren Preis reisen
Deutschlandticket ersetzt bisherige Abos, flexibles In-/Out gewinnt neue Fahrgäste für den ÖPNV
Das Deutschlandticket soll neue Fahrgäste für den ÖPNV gewinnen. Die meisten Inhaber:innen des 49-Euro-Tickets waren allerdings bereits vorher regelmäßig in Bus und Bahn unterwegs. Laut VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen) ist mehr als die Hälfte der früheren Bestandsabonnent:innen im vergangenen Jahr auf das Deutschlandticket umgestiegen. "Systemeinsteiger" seien hingegen selten. Da das Deutschlandticket bislang kaum zu einem Umstieg vom Auto auf den ÖV geführt hat, ist auch beim Klimaschutz noch Luft nach oben.
Die Einfachheit, Flexibilität und Transparenz von In-/Out-Lösungen kann dazu beitragen, Neukund:innen für den ÖPNV zu gewinnen. In einer bundesweiten Befragung von rund 1.000 FAIRTIQ-Nutzer:innen, die sich seit November 2023 neu registriert haben, gaben 33 Prozent an, den ÖPNV im Jahr 2023 fast nie genutzt zu haben. Von dieser Gruppe gaben wiederum fast 70 Prozent das Auto als das bisherige Fortbewegungsmittel der Wahl an.
Auch ist innerhalb der Nutzer:innen des Deutschlandtickets eine Fluktuation zu beobachten. So gaben fünf Prozent der seit November 2023 befragten neuen FAIRTIQ-Nutzer:innnen an, vor der Registrierung ein Deutschlandticket besessen zu haben. Als wesentliche Gründe für den Wechsel von Deutschlandticket zu FAIRTIQ-App nannten sie: „Lohnt sich nicht, da ich den ÖPNV eher selten nutze“ (52 Prozent), „Abo-Format bzw. mangelnde Flexibilität“ (18 Prozent) und „Zu teuer“ (16 Prozent). Absehbar wird der Preis des Deutschlandtickets in den nächsten Jahren steigen. Damit wird umso deutlicher: Wer (Gelegenheits-)Fahrgäste aus dem Auto heraus und in Busse und Bahnen hineinholen möchte, muss Lösungen vorhalten, die den Umstieg attraktiv, einfach und günstig machen.
„Das positive Feedback unserer Fahrgäste ist eine Bestätigung dafür, dass es sich lohnt, digitale Angebote für den Ticketkauf im Nahverkehr voranzutreiben.“
Christoph Heuing, VMT
Verkaufsschlager Deutschlandticket – und gleichzeitig immer mehr FAIRTIQ-Nutzende bundesweit und in Europa
Aktuell besitzen 11,2 Millionen Menschen ein Deutschlandticket. Damit gilt das Angebot als Erfolg. Doch die Verkaufszahlen stagnieren seit Sommer 2023.
Die FAIRTIQ-Bilanz sieht anders aus. In den vergangenen zwölf Monaten nutzten über 2,1 Millionen Menschen (in sechs Ländern) die FAIRTIQ-Technologie. Als Vergleichswert mag dies zunächst gering erscheinen. Die Zahl der mit FAIRTIQ abgerechneten Fahrten – aktuell sind es über 161 Millionen – steigt jedoch kontinuierlich. Dank der Innovationsfreude unserer langjährigen Partner sowie unserer neuen Partnerregionen wird das FAIRTIQ-Netzwerk kontinuierlich ausgeweitet.
Europäische Erfahrungen mit nationalem Check-in/Check-out
In Deutschland gibt es das innovative In-/Out bislang nur regional, die Flatrate des Deutschlandtickets gilt bundesweit. Dass auch auf nationaler Ebene ein Check-in/Check-Out Flatrate Tickets optimal ergänzen, zeigen Beispiele aus anderen europäischen Ländern.
Sowohl Österreich als auch die Schweiz verfügen über ein nationales Check-in/Check-out System, in dem jeweils die Technologie von FAIRTIQ steckt. Beide Länder bieten zudem nationale Flatrates an: das Klimaticket in Österreich, das Generalabonnement in der Schweiz.
In Österreich bietet die ÖBB-App „SimplyGo!“ allen, die kein Klimaticket besitzen, die Möglichkeit, den nationalen, regionalen und lokalen ÖV zum jeweiligen günstigsten Tagespreis zu nutzen.
In der Schweiz gibt es das Automatische Ticketing bereits seit 2018. Aktuell wird zudem im Rahmen des Pilotprojekts „myRIDE“ ein Prototyp des eTarifs getestet. Dieser verfolgt einen Post-Pricing-Ansatz, bei dem nur die effektiv gefahrenen Strecken abgerechnet werden. Das automatische Ticketing, bei dem die App den Fahrschein kauft, wird so zu einem echten Preisplan für Mobilität, der eine Abrechnung über längere Perioden zulässt und sich flexibel den Nutzungsmustern der Reisenden anpasst.
Ein letztes und hochaktuelles Beispiel: Anfang April 2024 hat FAIRTIQ in Dänemark die erste Version der Reijsekort als App eingeführt. Diese ist im ganzen Land gültig und wird Schritt für Schritt das bisherige kartenbasierte nationale Tap-in/Tap-out System ablösen. Die Einführung der ersten Version der digitalen Reijsekort setzte FAIRTIQ binnen sechs Monaten nach Beauftragung um. Die Fahrgäste zeigen sich vom neuen System begeistert, die ersten 2.000 Pilotplätze waren innerhalb von 40 Minuten vergeben.
Der Launch der Rejsekort-App in Dänemark war ein Erfolg
Innovation vorantreiben, Potentiale nutzen – ganz ohne „Entweder-oder“
Das Deutschlandticket gilt zurecht als Tarifrevolution für den öffentlichen Verkehr in Deutschland. Um auch einen signifikanten Beitrag zu Klima- und Mobilitätszielen des Bundes zu leisten, braucht es jedoch zusätzliche Lösungen, jenseits des „one-size-fits-all“ Ansatzes. Deutschlandticket und In-/Out-Technologien bilden dabei kein Entweder-oder, vielmehr ergänzen sie sich gegenseitig. Beispiele aus anderen Ländern zeigen zudem, dass eine bundesweit nutzbare In-/Out-Technologie die Potentiale des ÖPNV für Klimaschutz, Digitalisierung, Vereinfachung und gezielte Entlastung noch einmal deutlich erhöhen könnte.
*Die Zusammenarbeit mit FAIRTIQ und der EVAG begann 2019 mit einer Pilotphase in Erfurt. Die App erfreute sich großer Beliebtheit und so wurde sie im Frühjahr 2020 im gesamten Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) eingeführt.
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