8 August 2023

Okzitanien revolutioniert den ÖV mit flexiblen Tarifmodellen

Im Interview erklärt Jean-Luc Gibelin, der für Mobilität zuständige Regionalrat, weshalb die Zusammenarbeit zwischen FAIRTIQ und der südfranzösischen Region so gut funktioniert. Die Kombination aus der FAIRTIQ-Technologie – dank der innovative Tarifmodelle eingeführt werden konnten – und der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen der SNCF, der Region Okzitanien und FAIRTIQ hat sich als Erfolgsrezept erwiesen und die Mobilität in der Region revolutioniert. Die Lösung mit Prämien und Rabatten für die regelmässige Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist eine attraktive Alternative zum bisherigen Ticketangebot und bietet den Reisenden eine völlig neue Flexibilität.

FAIRTIQ: Können Sie uns als Erstes etwas über sich und Ihren Werdegang erzählen? Woher kommt Ihre Begeisterung für den öffentlichen Verkehr?

Jean-Luc Gibelin: Eigentlich komme ich nicht aus dem Verkehrsbereich, sondern aus dem öffentlichen Gesundheitswesen. Als ausgebildeter Psychiatriepfleger war ich am Ende meiner beruflichen Laufbahn Spitaldirektor. Seit ich im Jahr 2016 in den Regionalrat gewählt wurde, bin ich für die Mobilität zuständig. Ich habe viel gelernt und meine Arbeit macht mir viel Spass.

 

"Das neue Angebot "+=Flex" soll die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vereinfachen, indem die Reisenden nur für die Fahrten bezahlen, die sie tatsächlich zurücklegen. Und noch besser: Je mehr jemand reist, desto günstiger werden diese Fahrten."

 

FAIRTIQ: Die Region Okzitanien hat ein neues und innovatives Tarifangebot namens "+=Flex" eingeführt. Können Sie uns erklären, wie es funktioniert und welche Vorteile es den Kundinnen und Kunden bietet?

Jean-Luc Gibelin: Gerne! "+=Flex" soll die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vereinfachen, indem die Reisenden nur für die Fahrten bezahlen, die sie tatsächlich zurücklegen. Und noch besser: Je mehr jemand reist, desto günstiger werden diese Fahrten. Es handelt sich um ein neues und einzigartiges Tarifangebot, das Postpaid, nutzungsabhängige Rabatte und Mobilitätsguthaben kombiniert und sicherstellt, dass die Reisenden stets zum besten Tarif fahren. Das Angebot richtet sich an alle Personen zwischen 27 und 59 Jahren, unabhängig von ihrem Mobilitätsbedarf.

 

FAIRTIQ: Die Region Okzitanien hat bereits vor einigen Monaten in Zusammenarbeit mit der SNCF zwei Angebote lanciert, +=0 für junge Erwachsene und +=- für Seniorinnen und Senioren. Welches Feedback haben Sie seit der Einführung erhalten? Weshalb beschränkt sich das Angebot vorerst auf diese zwei Personengruppen?

Jean-Luc Gibelin: Die Angebote für die unter 27-Jährigen sind sehr beliebt. Jene für über 60-Jährige verzeichnen ein erfreuliches Wachstum. Unser ursprüngliches Ziel war es, Menschen anzusprechen, die eher selten den Zug benutzen. Dies war eine klare politische Entscheidung zugunsten der Mobilität von jungen Menschen. Wir freuen uns über den grossen Erfolg des Angebots +=0: Jeden Monat werden im Durchschnitt rund 80'000 Tickets über die App verkauft, in manchen Monaten erreichen wir Spitzenwerte von über 110'000 Tickets. Zudem konnten wir im Juni 2023 einen neuen Rekord verzeichnen, als wir über alle unsere Kanäle 320'000 "LibertiO’ Jeunes" Jugendtickets verkauft haben.

 

"Echte Treue wird belohnt. Bei +=Flex ist kein Startkapital erforderlich, es wird nur das bezahlt, was tatsächlich genutzt wird."

 

FAIRTIQ: Mehrere europäische Länder haben in jüngster Zeit Pauschalabonnements zu äusserst attraktiven Preisen eingeführt, u.a. Deutschland. Welche Vorteile haben Tarifmodelle wie die in Okzitanien angebotenen "+="-Angebote gegenüber diesen Pauschalangeboten?

Jean-Luc Gibelin: Unser Angebot ist auf unsere Region zugeschnitten, während die von Ihnen genannten Beispiele Regierungsentscheidungen auf nationaler Ebene sind. Unsere Tarifpalette setzt auf attraktive Preise, um die Menschen zum Zugfahren zu bewegen. Wir stellen eine allmähliche Zunahme der nutzungsabhängigen Rabatte fest (je mehr man reist, desto weniger zahlt man, in einigen Fällen sind die Fahrten für junge Menschen sogar völlig kostenlos). Echte Treue wird belohnt. Bei unserem Angebot ist kein Startkapital erforderlich, es wird nur das bezahlt, was tatsächlich genutzt wird. 

 

 

FAIRTIQ: Welches sind die verschiedenen Rollen der Region, der Betreiberin und von FAIRTIQ als Technologiepartner? Wie funktioniert die Zusammenarbeit in der Praxis?

Jean-Luc Gibelin: Als auftraggebende Behörde legen wir die Ziele fest und finanzieren die politischen Entscheide. Die Betreiberin SNCF berät und begleitet uns, während FAIRTIQ sein Know-how im Hinblick auf Technologie und Marketing einsetzt, um Lösungen zu entwickeln, die unseren politischen Zielen entsprechen. 

 

FAIRTIQ: Die Tarifangebote sind nur eine Massnahme unter vielen, um die öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber anderen, weniger umweltfreundlichen Verkehrsmitteln attraktiver zu gestalten. Wie sieht die globale Strategie der Region Okzitanien aus, um die Mobilität nachhaltiger zu gestalten?

Jean-Luc Gibelin: Wir glauben, dass drei Faktoren für eine langfristige Verbesserung der Mobilität ausschlaggebend sind: eine attraktive Tarifpalette, ein Ausbau des Transportangebots und eine bessere Qualität der Dienstleistungen für die Nutzerinnen und Nutzer dieses Angebots. 

 

FAIRTIQ: Können Sie etwas dazu sagen, was die Region Okzitanien für die Zukunft plant? Haben Sie vor, weitere Tarifangebote einzuführen oder das Modell auf multimodale/intermodale Dienste wie die Buslinien und die städtischen Verkehrsnetze der Region auszuweiten?

Jean-Luc Gibelin: Wir setzen uns stark für eine Intermodalität der kollektiven Mobilität ein und planen eine Testphase bis Ende des Jahres. Wir planen auch, die Altersgrenze für das Tarifprodukt "+=0" im September 2023 von 18 auf 16 Jahre zu senken und das Angebot zusätzlich zu den liO-Zügen auf sämtliche regulären liO-Buslinien auszuweiten. Wir sind dabei, das Angebot "+=Flex" für alle einzuführen und arbeiten an der Integration der städtischen Netze in einen multimodalen Tarif. Wir versuchen auch, die üblicherweise mit dem Ticketing verbundenen Kosten zu minimieren und das Problem der Zugangskontrolle in der Metro von Toulouse zu lösen.

 

Jean-Luc Gibelin, vielen Dank für dieses Gespräch!

 

In der Welt des öffentlichen Verkehrs ist die Zusammenarbeit zwischen FAIRTIQ und der Region Okzitanien ein echter Fortschritt. Dank neuartigen Tarifangeboten wie "+=Flex", "+=0" oder "+=-" geht die Region Okzitanien neue Wege, indem sie den Zugang zu Mobilität erleichtert und die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für alle fördert, von Jugendlichen bis hin zu Seniorinnen und Senioren. Gleichzeitig plant die Region für die Zukunft die Erweiterung der städtischen und intermodalen Netze, wobei sie ihrer Strategie treu bleibt, die Mobilität immer nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Die Initiative der französischen Regierungen für eine einheitliche nationale Fahrkarte, die dem "Check-in/Check-out"-Modell von FAIRTIQ gleichkommt, beweist die Relevanz der Lösungen, die aus der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen FAIRTIQ und der Region Okzitanien hervorgegangen sind.