14 September 2022

Simplicity in der Mobilitätsbranche - ganz einfach, oder?

Simplicity in der Mobilitätsbranche - ganz einfach, oder?
Das diesjährige FAIRTIQ Forum fand am 17. und 18. November 2022 virtuell statt. Über 150 Teilnehmende aus vier Nationen haben sich während zwei Tagen dem Thema “Simplicity” gewidmet.

Simplicity umsetzen - ganz einfach, oder? Dass Einfachheit im Ergebnis, meist Komplexität hinter den Kulissen bedeutet, haben die zahlreichen Teilnehmer:innen des FAIRTIQ Forums 2022 nach diesen zwei spannenden Tagen vermutlich mehr als verinnerlicht.

Internationale Expert:innen aus der Verkehrswelt, Wissenschaft und öffentlichen Einrichtungen diskutierten über brandaktuelle Themen. Beispielsweise, wie die Einführung des Deutschlandtickets zielführend umgesetzt werden kann oder mehr Autofahrer auf den Umstieg in den ÖV motiviert werden können. Innovationen im DACH-Raum in den Bereichen der Preis-, Vertriebs- und Tarifpolitik wurden ebenfalls besprochen.

“Die Idee des Generalabo-Komforts (Schweizer Pendant zur deutschen Bahncard 100) ließ mich nicht mehr los…”

Gian-Mattia Schucan, Gründer und Geschäftsführer von FAIRTIQ startete in das FAIRTIQ-Forum mit seiner ganz persönlichen Geschichte: Einfachheit im ÖV war schon in prähistorischen FAIRTIQ-Zeiten, als er noch als Vertriebsleiter bei der SSB arbeitete, seine Vision, um die ÖV-Nutzung attraktiver zu machen.

Lesen Sie hier mehr über die FAIRTIQ-Gründungsgeschichte.

Radikal einfach: auch in der Umsetzung für die Verkehrsbetriebe und -verbünde

Die FAIRTIQ-Lösung ist nicht nur einfach für die Nutzer:innen oder gar Gibbon-Affen - sie ist eben auch besonders schnell und unkompliziert für Verkehrsunternehmen und Verbünde zu implementieren. 

Mittlerweile zählt FAIRTIQ 60 ÖV-Partner in 6 Ländern und es werden stetig mehr. Pro Tag werden allein 130.000 Fahrten über die FAIRTIQ-Lösung generiert und die 137 Mitarbeitenden sorgen dafür, dass das Produkt ‘FAIRTIQ’ stetig optimiert wird. Als Beispiel stellt Gian-Mattia Schucan erstmalig das Layout der Mitnahmefunktion vor, die in den nächsten Monaten ausgerollt werden soll. 

Das waren die Programmpunkte des FAIRTIQ Forums 2022

  • Keynote: Einfachheit - Warum ist das wichtig für Businesses? Dr. Felix C. Seyfarth (Uni St.Gallen)
  • Panel-Diskussion: Einfachheit in der Mobilität und im ÖPNV mit Dr. Felix C. Seyfarth (Uni St.Gallen); Kerstin Haarmann (Vorstandsvorsitzende Verkehrsclub Deutschland); Daniel Hofer (BLS AG) und Maurice Rapin (FAIRTIQ, Moderation)
  • Input und Q&A von FAIRTIQ Partner:innen: Wie die Kund:innen für einfache digitale Lösungen wie FAIRTIQ begeistern? Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV) mit Christian Hillbrand; Verkehrsbetriebe Biel (VB) mit Christine Maier und Kathrin Jähnert-Elster der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG)
  • Keynote: FAIRTIQ - Wo geht die weitere Reise hin? Mit dem FAIRTIQ Gründer und Geschäftsführer Gian-Mattia Schucan
  • Workshop-Sessions zu den Themen Marketing Success Stories, Data Insights, Preis- und Tarifinnovationen, Betrugsmonitoring und Customer Service 
  • Vertriebs- und Preispolitik im ÖV - Überzeugungen, Erfahrungen und Zukunftsgedanken aus der Schweiz mit Dr. Peter Füglistaler, Direktor Bundesamt für Verkehr (BAV), Schweiz
  • Panel zum Thema: Preis- und Vertriebspolitik in der Schweiz, Deutschland, Österreich und darüber hinaus mit Dr. Peter Füglistaler (Bundesamt für Verkehr, Schweiz); Christian Hillbrand (Verkehrsbund Vorarlberg); Johann von Aweyden (Deutschlandtarifverbund GmbH); Dr. Wiebke Zimmer (Agora Verkehrswende); Gian-Mattia Schucan (FAIRTIQ) und Paula Ruoff (FAIRTIQ, Moderation) 

Im Folgenden lesen Sie kurze Zusammenfassungen unserer einzelnen Programmpunkte

Keynote: Einfachheit - Warum ist das wichtig für Businesses?

 Dr. Felix C. Seyfarth arbeitet unter anderem als Lehrbeauftragter für Kreativität und Handlungskompetenz an der Universität St. Gallen und stellte in seinem Impulsvortrag besonders die Komplexität von Einfachheit in den Vordergrund. 

Damit die Nutzung des öffentlichen Verkehrs ein echter Dauerbrenner wird und immer mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, müssen ÖV-Unternehmen kund:innenzentriert handeln. Ein Weg kann sein: Einfachheit für die Kund:innen, aber auch für Verkehrsunternehmen und -verbünde. 

Dr. Seyfahrt erklärt die Komplexität, die hinter einfachen Produkten steht am Beispiel des Ipods - ein geniales, innovatives Produkt, das den Zahn der Zeit traf und die Macht hatte, die komplette Musikindustrie auf den Kopf zu stellen, dessen Entwicklung aber hochgradig komplex war.

Das Prinzip der Einfachheit läuft in Schleifen und ist niemals beendet. Ein komplexes Produkt den Endnutzer:innen möglichst simpel zu präsentieren, sodass es nur den Nutzen hat, der benötigt wird - das ist Simplicity. 

Panel-Diskussion: Einfachheit in der Mobilität und im ÖPNV

Im Panel zum Thema Einfachheit in der Mobilität und im ÖPNV besprachen unsere drei Expert:innen unter der Moderation von Maurice Rapin die aktuelle Situation im DACH-Raum und was es in Zukunft noch braucht, um den ÖV zu simplifizieren.

Kerstin Haarmann ist Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Der VCD ist ein gemeinnütziger Umweltverband, der sich für die Verkehrswende, eine klimaverträgliche, sichere und gesunde Mobilität für Menschen einsetzt. Frau Haarmann erörtert gleich zu Beginn, dass die Vielzahl an Verkehrsverbünden in Deutschland die Entwicklung von ‘einfach einsteigen und losfahren’ verlangsamt.

Auch in der Schweiz sei der Modalsplit-Anteil des ÖV mit 21% noch nicht da, wo er im Rahmen von Klimaschutzzielen sein müsste, meint Daniel Hofer der Privatbahn BLS. Ein häufiger Grund für die nicht-Nutzung des ÖV sei hier auch die Komplexität im Ticketkauf als Hürde für Neukund:innen.

Wie kann der ÖV also einfacher gestaltet werden?

Dr. Felix C. Seyfarth meint, es lohne sich, auf die schon fortgeschrittene Digitalisierung in der Musikbranche, im Taxigewerbe und im Zeitungswesen zu blicken und dort einmal zu schauen, wie die Dinge vonstatten gingen.

Kerstin Haarmann sieht in der Lösung der Zonenproblematik als Chance, das Produkt ÖV zu vereinfachen. Die Verbundkomplexität müsse vereinfacht und ein integraler Taktfahrplan implementiert werden.

"Wir müssen in Deutschland, bevor die Digitalisierung weiter an Schwung gewinnt, erst einen Schritt zurückgehen und die Verbundkomplexität vereinfachen!" - Kerstin Haarmann, VCD

Daniel Hofer von der BLS fügt hinzu, dass die Schweiz eine ähnliche Problematik mit der Hoheit der Kantone aufweist wie in Deutschland jene der Bundesländer. Für ihn bietet die FAIRTIQ-Lösung ein Angebot, welches über Verbundgrenzen hinweg funktioniert und die Problematik, zumindest für die Fahrgäste, löst.

Ist Einfachheit für Anbieter:innen teuer herzustellen?

Dr. Felix C. Seyfarth argumentiert, dass Einfachheit zwar aufwändig sei, aber eben auch lukrativ, was man an Unternehmen wie Google oder Apple sehen kann. Dort sind außerdem Netzwerkeffekte relevant, die die Nutzung eines Produktes noch besser machen, je mehr Menschen es nutzen.

Daniel Hofer stimmt ihm zu und fügt an, dass es natürlich eine große Aufgabe ist, das Tarifsystem zu vereinfachen, aber es sei eben auch unumgänglich, um mehr Menschen für den ÖV zu gewinnen.

“Wenn das 49€ Ticket kommt, müssen Verbünde besonders darauf achten, was sie den Kund:innen ohne ein Abo anbieten wollen.” - Kerstin Haarmann

“Wir brauchen Lösungen im ÖV, die fail-safe und fool-proof sind, sodass ich keine Angst haben muss, dass ich ein falsches Ticket habe. Im ÖV geht es ja nicht nur um gewinnorientiertes wirtschaften, sondern um öffentliche Anliegen, wie der Grundversorgung und der Verkehrswende, die es Sinn macht zu fördern.” - Dr. Felix Seyfahrt

Wie können wir die Kund:innen für einfache und digitale Lösungen wie FAIRTIQ begeistern?

Keynote - drei FAIRTIQ Partner:innen berichten aus der Praxis

Der erste Tag des FAIRTIQ Forums wurde mit drei Keynote-Vorträgen von FAIRTIQ Partner:innen abgerundet. Christine Maier der Verkehrsbetriebe Biel (VB), Christian Hillbrand vom Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV) und Kathrin Jähnert-Elster der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG) berichteten darüber, wie sie ihre Kund:innen für FAIRTIQ begeistern.

Christine Maier der Verkehrsbetriebe Biel (VB), Schweiz

Die Schweizer Verkehrsbetriebe Biel arbeiten seit 2015 mit FAIRTIQ zusammen. Die Partnerschaft begann aufgrund eines Paradigmenwechsels in den Distributionssystemen der VB und dem Ziel, die Automaten zu reduzieren und den Kund:innen eine einfache digitale Lösung an die Hand zu geben.

“In Biel gibt es aufgrund der Bevölkerungsstruktur einen recht großen Anteil an Fahrgästen, die am liebsten mit Bargeld am Schalter ihre Tickets kaufen. Sie für eine digitale Lösung zu begeistern, ist immer noch eine Herausforderung für uns.” - Christine Maier, VB

Christian Hillbrand vom Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV), Österreich

Der Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV) entschied sich 2018 aus demselben Grund, wie die VB für die digitale Ticketlösung von FAIRTIQ, nämlich wegen der Reduktion von Fahrkartenautomaten.

Die FAIRTIQ-Nutzungsgruppe im VVV sind vorwiegend Gelegenheitsnutzer:innen. Besonders die Capping-Funktion und die gezielte Kund:innenansprache mit Bonus oder Rabatten werden vom VVV geschätzt und genutzt.

Kathrin Jähnert-Elster der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG), Deutschland

FAIRTIQ ist im HAVAG-Gebiet in der Vollversion mit einem klassischen eTarif verfügbar und in der Pilotversion mit einem Luftlinientarif auf Kilometerbasis. Die Partnerschaft zeichnet besonders die Marktforschungsaktivitäten aus, über die Sie in diesem gesonderten Blogpost mehr erfahren können. 

Die Marktforschung liefert wichtige Erkenntnisse über das Verhalten und die Bedürfnisse der HAVAG Kund:innen.

“Wir haben unter anderem untersucht, ob FAIRTIQ die Kund:innen zur Mehrnutzung des ÖV motivieren kann.”

So gab fast jede/r dritte Befragte/r an, der oder die die App schon mehr als einen Monat nutzt, dass er oder sie dank der App etwa vier Fahrten mehr als davor pro Monat unternimmt.

Lieblingszitat des FAIRTIQ Gründers und Geschäftsführers Gian-Mattia Schucan

Tag zwei - Key learnings der Workshop-Sessions zu den Themen: 

Marketing Success Stories

Wie kommt man einfach zum Marketing Erfolg? Wir teilen unsere Learnings entlang des Kampagnenprozesses (Marketingorganisation, Content Produktion und Kommunikation)

  1. Einfachheit im Kampagnenprozess, in der Content-Erstellung und in der User-Experience ist der Schlüssel zum Kampagnenerfolg
  2. Übergreifende Partner-Kampagnen sind der einfachste und effektivste Weg, um in den Regionen das Maximum zu erreichen → Synergien
  3. Die FAIRTIQ-Nutzer:innenbasis wächst in allen Regionen rasant → Kampagnen kurbeln Wachstum an

Data Insights

Welche Daten gewinnen wir, wie können wir sie bei FAIRTIQ aufbereiten und mit den Partnern nutzen? 

  1. Datenfundus, der im ÖV als Nebenprodukt generiert wird, ist sehr wertvoll und wird noch viel zu wenig genutzt
  2. FAIRTIQ-Partnerdashboard mit aufbereiteten anonymisierten Daten bietet wertvolle Einblicke in das ÖV-Nutzungsverhalten
  3. In-App Feedback der FAIRTIQ-App kann direkten Kund:innenkontakt herstellen

Preis- und Tarifinnovationen

Wir haben gelernt, mehr Auswahl ist nicht immer besser - und wie bringen wir die Einfachheit jetzt in den ÖV?

  1. Kunden wollen den Preis als fair wahrnehmen
  2. Vertrauen schaffen durch Einfachheit in der Nutzung
  3. Wichtige Stichworte im Tarifumfeld sind: Luftlinie und Capping

Customer Service

Wie funktioniert unser Customer Service, über welche Werkzeuge verfügt FAIRTIQ? Wir beschreiben, warum Einfachheit ein wichtiges Thema im Kontakt mit Kund:innen ist.

  1. Wir können Mehrnutzung nach positiver Interaktion bestätigen
  2. Durchgehende Kommunikationskette im Customer Service, sodass Probleme dann technisch rasch behoben werden können
  3. Das System hinter FAIRTIQ wird immer präziser und besser je mehr Fahrten getätigt werden

Betrugsmonitoring

Wie sieht Betrug bei FAIRTIQ aus und wie gehen wir mit Missbrauch um? Wir beleuchten interne Prozesse aus sowie die Zusammenarbeit mit den Partnern.

  1. Bei FAIRTIQ liegt der Fokus auf der Prävention von Betrug bei der App
  2. Die FAIRTIQ-App ist eine Ergänzung des Kontrollpersonals und soll diese unterstützen
  3. Bei Fraud-Verdacht wird die gesamte Reise betrachtet, um Fehler zu vermeiden

Keynote zum Thema Vertriebs- und Preispolitik im ÖV - Überzeugungen, Erfahrungen und Zukunftsgedanken aus der Schweiz

Dr. Peter Füglistaler, Direktor des schweizer Bundesamtes für Verkehr (BAV) führte die Teilnehmenden durch die Schweizer Vertriebs- und Preispolitik im öffentlichen Verkehr.

Kurz und knapp - wie ist die ÖV-Situation in der Schweiz?

  • In der Schweiz ist das Konzept des ‘direkten Verkehrs’ im Personenbeförderungsgesetz verankert. Wenn Fahrgäste eine Strecke zurücklegen, die über mehrere Verbünde geht, muss es dafür ein einziges Ticket geben. Die Kund:innen werden so vor der Verbundskomplexität geschützt. 
  • Die Alliance SwissPass ist eine Branchenorganisation und besteht aus 52 Transportunternehmen und 18 Verbünden und setzt so den direkten Verkehr um. Die Preise legen die Verbünde jedoch einzeln fest. 
  • Ziel sollte es sein, eine landesweite einheitliche Preisbildungslogik zu implementieren
  • Das GITA Projekt (Grobkonzept Integriertes Tarifsystem) versucht genau das umzusetzen

Panel Diskussion zum Thema: Preis- und Vertriebspolitik in der Schweiz, Deutschland, Österreich und darüber hinaus 

👉 Hier klicken, um mehr über die Panel-Diskussion zu erfahren. 

Vielen Dank an alle Teilnehmer:innen und Speaker:innen!

Wir freuen uns schon auf das nächste FAIRTIQ-Forum!

👉 Hier lesen Sie unseren Blogpost über unser FAIRTIQ-Forum 2021

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