12 Dezember 2021

So war das FAIRTIQ-Forum

So war das FAIRTIQ-Forum

User Centricity  im ÖPNV

Das FAIRTIQ Forum stand dieses Jahr ganz im Sinne der Nutzungsfreundlichkeit im ÖPNV. Ein vielfältiges Programm beleuchtete das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven,  mit Referent:innen aus Wissenschaft, der Design-Branche, aber auch aus der Praxis - für einen möglichst großen Mehrwert in Ihrem Arbeitsalltag. Das Spektrum der Vorträge zeigt, dass Nutzungsfreundlichkeit im ÖPNV viele Facetten hat: Wie einfach komme ich an mein Ticket? Wie sauber und einladend ist die Gestaltung der Bahnhöfe und Haltestellen? Ist der Zugang wirklich für alle Personen, auch mit Mobilitätseinschränkungen, gewährleistet? Macht es Spaß, den ÖPNV zu nutzen? Schlussendlich geht es darum, dass Fahrgäste eine emotionale Bindung aufbauen und den ÖPNV nicht nur als Mittel zum Zweck sehen, sondern ein positives Erlebnis mit der Mobilität in Bus und Bahn verknüpfen.

Mehr als 100 Personen haben sich dieses Jahr zum FAIRTIQ Forum angemeldet. Mit dabei waren Vertreter:innen von Verkehrsunternehmen und -verbünden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg.

 

Die Themen des diesjährigen FAIRTIQ- Forums

 

Mobilitätsdesign – Die Gestaltung neuer, umweltfreundlicher Mobilität mit Prof. Dr. Kai Vöckler von der Hochschule für Gestaltung in Offenbach 

Welchen Beitrag kann Design zu Produkten, Prozessen und Einrichtungen im Bereich Mobilität leisten? Und wie kann die Funktion und Gestaltung von Verkehrsmitteln positive Erlebnisse und Erfahrungen mit Mobilität fördern und die Nutzung des Umweltverbundes attraktiver machen? Prof. Dr. Kai Vöckler von der Hochschule für Gestaltung in Offenbach führte durch die Welt des Mobilitätsdesigns. Herr Vöckler besprach, wie der ÖV und andere klimafreundliche Produkte für die Nutzer:innen attraktiver gestaltet werden können und inwiefern sich die ÖV-Branche bei der Automobilbranche und deren Design Ansätzen etwas abgucken kann. Mobilität sollte außerdem auch als immaterielle Erfahrung gesehen werden und die Ansprache der Fahrgäste auf emotionaler Ebene ist durchaus sinnvoll. Digitales Design des ÖV-Angebots und des Ticketkauf sollte mit dem, was die Kund:innen analog im ÖV erleben harmonieren und aufeinander abgestimmt sein. Die anschließende Panel-Diskussion beendete Herr Vöckler mit der These, dass in 10 Jahren Apps mehr zum Fahrscheinkauf schon der Vergangenheit angehören. 

 

eTarif in NRW aus Sicht der KVB mit Anja Höhn, Bereichsleitern Absatz bei den Kölner Verkehrsbetrieben

Seit April 2019 bewährte sich die FAIRTIQ-App in umfangreichen Tests in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB). Die VRS eezy.nrw App und die FAIRTIQ-App bieten Fahrgästen nun seit 6. Dezember die Möglichkeit, den NRW-weiten eTarif zu nutzen.

Frau Höhn teilte auch kritische Gedanken, die sie und ihr Team vor dem Pilottest hatten: Funktioniert alles technisch und wie wird die Kund:innenakzeptanz besonders beim Thema Datenschutz sein? Der VRS eTarif-Pilot mit etwa 12.000 Testnutzer:innen  hat gezeigt, dass Kund:innen die Einfachheit der App und den simplen Luftlinientarif gerne nutzen und dem eTarif schnell Vertrauen schenkten. Die Befürchtungen sollten unbegründet bleiben, denn die Kund:innenakzeptanz war sehr hoch und die KVB erhielt viel positives Feedback, was einer der Gründe war, nun weiter mit FAIRTIQ zusammenzuarbeiten und den eTarif auf ganz NRW auszuweiten. 

 

Wie die ÖBB mit den Nightjets auf Kundenbedürfnisse reagieren mit Kurt Bauer, Leiter Fernverkehr bei den ÖBB

Der Nightjet ist die Marke für die Nachtreisezüge der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Mit den ÖBB Nightjet-Zügen reisen die Fahrgäste über Nacht in verschiedene Städte und Ziele Europas. Das Netz erstreckt sich von Norddeutschland bis Mittelitalien. Die ÖBB hat eine Renaissance der Nachtzüge gestartet und baut das Angebot in den nächsten Jahren weiter kontinuierlich aus. Kurt Bauer, Leiter Fernverkehr bei den ÖBB, betonte, dass gerade der digitale Vertrieb zum Ausschöpfen des Potentials des Nightjets sehr wichtig sei. Besonders das Yield Management in den Nachtzügen ist eine komplexe Herausforderung und so ist die Zusammenarbeit mit Profis,  um den optimalen Preis für Fahrkarten zu finden, unerlässlich.

Bei der Entwicklung der Züge wurden Probleme & Wünsche der Kund:innen berücksichtigt und von Anfang an versucht, diese zu lösen. Während die Züge von außen identisch aussehen,  wurden sie innen unterschiedlich gestaltet, um sie so anwendungsfreundlich und so komfortabel wie möglich zu machen.

 

Workshop Product Management mit Luise Rohland aus dem FAIRTIQ-Marketing-Team

UX und UI stehen für User Experience und User Interface. Alle Produkte und Dienstleistungen haben ein User Interface und eine User Experience. Wie sehen diese im ÖPNV aus? Wie werden sie von den Kund:innen wahrgenommen? Wie stark werden die Kund:innen in die Verbesserung der Dienstleistung einbezogen?

Luise Rohland ist  FAIRTIQ-Spezialistin im Bereich digitales Marketing und dafür verantwortlich, Daten auszuwerten, um mehr Nutzer:innen für FAIRTIQ zu gewinnen und die Nutzungsfreundlichkeit der App weiter zu steigern. 

Im Workshop erklärte sie die Relevanz von quantitativen Daten als wichtige Informationsquelle in der Produktentwicklung.  Sie betonte aber: Der direkte Austausch darf nie  ganz fehlen, um die Nutzer:innen kennenzulernen und ihre Bedürfnisse  zu verstehen. Außerdem stellte sie verschiedene anonymisierte Datenquellen vor, die FAIRTIQ den Partner:innen zur Verfügung stellt, wie bspw.  Daten aus dem Kundenservice und Umfragen.  In diesem Blogpost gibt es noch weitere Informationen zum Thema Smarte Datennutzung. 

 

Was Nutzer:innen wirklich wollen. Inspiration zu nutzerzentrierter Mobilität mit Lieke Ypma, Partnerin bei @ Hello Impact

Nutzungsorientierte Lösungen werden von Kund:innen geliebt. Wenn wir unterwegs sind, erfahren wir Lösungen, die gut funktionieren, und welche, die eher frustrieren. Was ist nutzungszentrierte Mobilität? Was wollen Nutzer:innen überhaupt? Wie können die Produkte nutzungszentriert entwickelt werden? 

Lieke Ypma ist unter anderem Mitgründerin von Hello Impact Berlin. Hello Impact Berlin erarbeitet mit einem kollaborativen Ansatz Strategien und Innovationen in den Sektoren Mobilität und Digitales. SIe lehrt an der Macromedia Universität im Master Curriculum Smart City Design und bildet digitale Stadtplaner der Zukunft aus. Sie ist aktiv in der Mobilitätsbildung und publiziert zum Thema Female Mobility.

Lieke Ypm macht deutlich, dass die Nutzer:innen Einblicke in ein konkretes Problem geben können, damit es gelöst werden kann  und ein marktgerechtes Produkt entsteht.  Dies geschieht in der Regel durch explorative Forschung, bei der qualitative Daten ausgewertet werden. Quantitative Daten sind aber ebenso erforderlich, um das Produkt stetig weiter zu verbessern. Einer der ersten Grundsätze dazu ist die Anwendungsfreundlichkeit (Ease of Use). Für ein erfolgreiches Produkt muss viel Zeit und Überlegung investiert werden, um die Bedürfnisse der Nutzer:innen zu erfüllen. Gerade beim Thema Datenschutz ist Transparenz gefragt. Außerdem sollte die Kontrolle an Kund:innen zurückgeben werden, indem verlässliche Informationen bereitgestellt und korrekt kommuniziert werden.

 

“It’s an easy Ride mit SBB Mobile” mit Fabian Kern von der SBB

Seit 2019 ist die FAIRTIQ-Technologie unter dem Namen “EasyRide” im Hintergrund der SBB-App integriert. Fabian Kern erklärt, dass mehrere Apps in der Schweiz auf die FAIRTIQ-Technologie als Hintergrundsystem (SDK) setzen.

Auf der Startseite der SBB-Mobile App sind Module und manuell einstellbare Kacheln mit allen wichtigen Informationen und Zugriffen zu sehen.  EasyRide ist die automatische Ticketlösung der SBB in der  erfolgreichsten ÖV-App der Schweiz mit rund 200.000 Tickets, die täglich über die App gelöst werden.  Das Nutzungserlebnis bei der SBB spielt eine wichtige Rolle: die Bedürfnisse der Kund:innen werden ermittelt und dann direkt in UX-Design einbezogen, daraufhin wird die technische Umsetzbarkeit und der Ressourcenaufwand geprüft und das Verhältnis von Kundennutzen und Aufwand abgewogen. Momentan ist beispielsweise ein neues Feature für ein ÖV-Guthaben im Test: Testpersonen können für 1000 CHF fahren und zahlen dabei nur 800 CHF. Das Guthaben wurde gemeinsam mit FAIRTIQ erarbeitet und technisch umgesetzt.

 

Workshop mit Cornelia Wenger und Barbara Tobler vom FAIRTIQ Marketing-Team

Das FAIRTIQ Marketing ist zielgruppenspezifisch und datengetrieben und folgt dem FAIRTIQ-Growth Hacking Zyklus: Ideen werden schnell getestet, Maßnahmen werden in mehreren Runden optimiert oder durch neue Ideen ersetzt. 

FAIRTIQ arbeitet eng mit den ÖV-Partner:innen zusammen: Marketingmaßnahmen vor Ort, wie Poster und Folien auf Bussen und Zügen werden direkt von uns zur Verfügung gestellt.  Außerdem ist gemeinsame Onlinewerbung auf zahlreichen Kanälen möglich. Dieses auch durch  regionalspezifisches Marketing: Die Menschen werden dort angesprochen, wo sie reisen. Nachhaltige  Akquise wird beispielsweise auch durch das FAIRTIQ-Member-get-Member-Programm durchgeführt. Eine Reaktivierung von ‘schlafenden’ Nutzer:innen durch personalisierte Mailings ist ebenfalls möglich. Darin gibt es bestimmte Anreize wie z.B. die Verlosung einer Gratisfahrt oder die Pflanzung eines Baums für die nächste Fahrt, was sich bisher als erfolgreiche Strategie bewährte. 

Barbara Tobler

 

Future Outlook mit Gian-Mattia Schucan, Gründer  und Geschäftsführer von FAIRTIQ

FAIRTIQ-Gründer und Geschäftsführer Gian-Mattia Schucan berichtete über Zukunftspläne von FAIRTIQ. Die Einführung der viel gewünschten, aber auch komplex umzusetzenden Mitnahme-Option für weitere Personen bzw. Hunde/Fahrräder wird bald stattfinden. Neben den zwei Zahlungsprofilen, die die App seit einiger Zeit bietet,  sollen weitere Anreize zur FAIRTIQ-Nutzung durch Firmen geschaffen werden. 

FAIRTIQ möchte die ÖV-Branche weiterhin dabei unterstützen, tariflich und marketingtechnisch Antworten in unsicheren Zeiten zu finden und umzusetzen. Außerdem sollen Daten für die Planung nutzbar gemacht werden, wie mit dem Performance Dashboard mit Einsichten zum Nutzungsverhalten in der jeweiligen Region.

Das Stichwort “Seamless Travel” steht außerdem im Fokus: Die Komplexität bei der Überschreitung von verschiedenen Tarifregionen soll weiter reduziert werden. 

 

Vielen Dank an alle Speaker:innen und Panelist:innen!

Auch wir als FAIRTIQ-Team haben viele Anregungen mitgenommen, wie wir unsere Nutzerfreundlichkeit weiter verbessern können.

Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr - dann hoffentlich wieder persönlich!